«Mieter und Käufer haben heute viel höhere Erwartungen»

David Huber, Leiter Vermarktung bei Tend AG

Immobilienvermarkter David Huber von Tend AG spricht mit uns darüber, wieso er Mieter ist, weshalb heute viel mehr Zeit in die Definition der Zielgruppen von neuen Immobilienobjekten investiert wird und er gibt Tipps für die Bewirtschaftung.

Bist du Mieter oder Eigentümer?

Ich wohne in Zürich, deshalb ist die Antwort wohl schon klar (lacht). Ich bin Mieter in der Nähe des Albisriederplatzes. Ich schätze die Stadt Zürich. Das urbane Lebensgefühl ist etwas, das mich immer angezogen hat, und deswegen fühle ich mich hier auch sehr wohl. Ich habe bis jetzt auch noch nicht das Passende gefunden. Da ich in der Immobilienbranche arbeite, kenne ich den Markt gut, und bin ja eigentlich an der Quelle. Nicht zuletzt hat bis jetzt auch das nötige Eigenkapital gefehlt.

Wie kamst du dazu, Wohnungen zu verkaufen als Immobilienmarketingspezialist?

Ich kam schon in der Kindheit durch meine Eltern mit der Immobilienbranche in Kontakt. Ich war aber selbst eher abgeneigt. Wenn es Zuhause nur um das Thema Immobilien geht, dann schreckt das eher ab. Deshalb wählte ich den Weg in die Marketingbranche und ins Qualität- und Produktmanagement. Dort fehlte mir jedoch der Kundenkontakt. So entschied ich mich, doch meinem Ruf zu folgen und es in der Immobilienbranche zu versuchen. Ich bekam die Möglichkeit, bei der Halter AG einzusteigen. Von da an hat sich dann meine Laufbahn in der Welt der Immobilien entwickelt.

«Ich habe eine enorme Identifikation mit dem Produkt Wohnen. Wohnen ist etwas, das mich und alle beschäftigt.»

Was gefällt dir an der Immobilienbranche?

Ich habe eine enorme Identifikation mit dem Produkt Wohnen. Wohnen ist etwas, das mich und alle beschäftigt. Zudem ist die Branche sehr vielfältig und befindet sich im stetigen Wandel. Die daraus führende Dynamik, die in den letzten Jahren in der Branche stark zugenommen hat, trägt dazu bei, dass das Marktumfeld wie auch die Projekte komplexer werden. Mitunter war auch dies ein wesentlicher Grund, weshalb ich den Master in Project Management absolviert habe. Des Weiteren schätze ich den persönlichen Kontakt sehr - mich interessieren Menschen und ihre Geschichten.

Bei Tend seid Ihr spezialisiert auf die Vermarktung von Neubauprojekten. Ich nehme an, ihr habt sehr unterschiedliche Zielgruppen je nach Lage des Objekts. Und auch je nach Herkunft der Interessenten. Welche Herausforderungen ergeben sich dabei?

Zielgruppen sind sehr unterschiedlich und vielschichtig, das macht es spannend. Ein Produkt soll schliesslich nicht dem Entwickler gefallen, sondern es muss genau auf die Zielgruppe abgestimmt sein. Das ist heutzutage eine enorme Herausforderung, da die Zielgruppen nicht mehr einfach in Kategorien unterteilt werden können. Es geht im Zeitalter der Individualisierung darum, welche Lebensstile und Nutzerverhalten Personen pflegen. Die Anforderungen der Kunden und die Komplexität der Ansprache sind enorm gestiegen.

«Es geht im Zeitalter der Individualisierung darum, welche Lebensstile und Nutzerverhalten Personen pflegen. Die Anforderungen der Kunden und die Komplexität der Ansprache sind enorm gestiegen.»

In dem Fall investiert ihr heute mehr Zeit als früher in die Analyse, für wen überhaupt etwas gebaut wird?

Ja, bedeutend mehr. Natürlich auch aufgrund der Situation, dass sich die Nachfragesituation geändert hat. In den Ballungszentren verzeichnen wir immer noch eine hohe Nachfrage, wohingegen es in den peripheren Lagen umso schwieriger wird. Darum müssen wir die Analyse im Vorfeld sehr vertieft durchführen. Wenn wir genug früh in den Planungsprozess hinzugezogen werden , können wir unsere Erfahrungen und unser Know-how in die Entwicklung eines Projektes einfliessen lassen um schliesslich die Absorption bestmöglich zu gewährleisten. Wenn wir uns jedoch bereits in der Bauphase befinden, ist unser Handlungsspielraum auf die bestmögliche Positionierung und Bewerbung des Objektes reduziert.

Wie schafft ihr es bei grossen Neubauprojekten, insbesondere auch in Regionen, wo es nicht so einfach ist, neue Mieter und Käufer zu finden, trotzdem für eine gute Durchmischung zu sorgen?

Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der oft vernachlässigt wird. Wenn wir eine Arealentwicklung betreuen, versuchen wir, von Beginn an eine heterogene Community aufzubauen. Das heisst, wir organisieren von Anfang an Events und schauen, dass sich die zukünftigen Mieter und Käufer bereits vorgängig mit den Interessenten austauschen können. Sind die Mieter und Käufer selbst vom Produkt angetan, überzeugen sie mit ihrer Euphorie auch neue Interessenten. Es braucht eine gute Durchmischung jedoch mit ähnlichen Interessen und Bedürfnissen. Das können wir auf der einen Seite durch unseren Marketingauftritt steuern, andererseits aber auch durch unsere persönliche Betreuung. Es lohnt sich, in die Kundenbindung Geld zu investieren. Eine gute Community aufzubauen hat enorme Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Käufer respektive Mieter und schliesslich auf unsere Reputation. Ich sah das auch in meiner Master-Thesis. Es ist ein Bedürfnis der Käufer und Mieter, dass sie ihre Nachbarn kennen.

«Es lohnt sich, in die Kundenbindung Geld zu investieren. Eine gute Community aufzubauen hat enorme Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Käufer respektive Mieter und schliesslich auf unsere Reputation.»

Wie stellt ihr das an? Viele Leute haben Mühe von sich aus mit den Nachbarn in Kontakt zu treten.

Das muss man von Beginn an anregen. Wie angemerkt, versuchen wir das Eis mit Events zu brechen. Unterstützend können auch Begegnungszonen zum Austausch geschaffen werden. Ich glaube, es müssen auch nicht zwingend alle Mieter oder Käufer von Beginn an eingebunden werden. Es gibt vielleicht ausgewählte Kernbewohner, auf die man bauen kann, die etwas in Bewegung setzen können. Die Mieter oder Käufer müssen intrinsisch motiviert sein, mehr Kontakt zu den Nachbarn zu wollen und bereit sein, dafür Zeit zu investieren. Die meisten anderen Bewohner werden dies schätzen und es entsteht eine offene Nachbarschaftskultur.

In der Vermarktung sind heute viel mehr Tools verfügbar wie früher, zum Beispiel Besichtigungen über Virtual Reality. Was braucht es nach deiner Erfahrung an Material zu einem neuen Projekt, damit sich Mieter oder Käufer angesprochen fühlen und sich für ein Objekt interessieren?

Mir fällt auf, dass sich einige Immobilienfirmen mit den neusten digitalen Massnahmen wie Virtual Reality, Augmented Reality, Robotik, Konfiguratoren usw. ein Stück weit selbst profilieren. Nur um zu zeigen, dass sie mit der Digitalisierung Schritt halten können. In einem Projekt stellt sich für mich jedoch die Frage, was für den Kunden einen effektiven Mehrwert darstellt. Man kann den Kunden auch mit wenigen gezielten Massnahmen abholen und zum Kauf- oder Mietentscheid bewegen. Versteh mich nicht falsch, ich schätze die neuen Möglichkeiten der virtuellen Darstellung, doch müssen sie effizient und zielgerichtet eingesetzt werden. Schliesslich ist der persönliche Kontakt nach wie vor elementar, das wird sich so bald auch nicht ändern. Der Abschluss gelingt, wenn der Kunde ein gutes Bauchgefühl hat und sich wohlfühlt. Das liegt natürlich zum einen am Produkt, zum anderen aber auch am Verkäufer, indem er ein Vertrauensverhältnis aufbaut und die Service-Excellence laufend vorangetrieben wird.

«Mir fällt auf, dass sich einige Immobilienfirmen mit den neusten digitalen Massnahmen wie Virtual Reality, Augmented Reality, Robotik, Konfiguratoren usw. ein Stück weit selbst profilieren.»

Wir haben Umfragen gemacht bei den Interessenten. Die Resultate haben gezeigt, dass Bilder elementar sind bei einem Inserat. Sie haben insbesondere geantwortet, dass ihnen Bilder von der Küche und dem Bad am wichtigsten sind. Was sind deine Erfahrungen? Welche Räume interessieren die Interessenten am meisten?

Das hat sich gewandelt. Vor ca. 4 Jahren war ein offen und grosszügig gestalteter Wohn- und Essbereich sehr wichtig. Inzwischen hat der Wohlfühl-Faktor an Bedeutung gewonnen. Man kocht gesund, verbringt gerne und viel Zeit in der Küche. Lädt man Freunde ein, treffen sich meistens alle in der Küche. Folglich ist das auch bei uns ein wichtiger Raum geworden, wo wir auch auf Visualisierungen setzen. Und das Bad ist heute ein Raum der Entspannung. Früher brauchte man das Bad zum Zweck, heute ist es ein Ort des Rückzugs vom Alltag, der sehr wichtig geworden ist in der hektischen Zeit.

«Vor dem Verkauf respektive der Vermietung wird man umworben, man investiert viel Geld in jeden Lead. Danach ist die Bewirtschaftung zuständig, wo – böse gesagt – der Kunde weniger Wert hat.»

Was sind deine Tipps an Immobilienbewirtschafter? Wenn du eine Liegenschaft verkauft hast, ist die Arbeit für dich ja abgeschlossen, aber für den Bewirtschafter/-in geht sie erst los. Auf welche Kunden müssen sie sich einstellen?

Früher «bewirtschafteten» die Bewirtschafter ihre Portfolios, wie es der Name schon sagt. Inzwischen hat man auch in der Bewirtschaftung den Anspruch, dass man schneller und effizienter in Kontakt tritt mit den Kunden. Es ist dem Bewohner äusserst wichtig, dass er schnell und unkompliziert sein Anliegen platzieren kann und entsprechend rasch eine Rückmeldung erhält. Dies ist im Verkauf oder in der Vermietung Alltag, aber danach in der Bewirtschaftung leider weniger. Die Serviceorientierung darf nicht zurückgehen. Dort sehe ich den grössten Gap. Vor dem Verkauf respektive der Vermietung wird man umworben, man investiert viel Geld in jeden Lead. Danach ist die Bewirtschaftung zuständig, wo – böse gesagt – der Kunde weniger Wert hat, und dadurch die Servicequalität nachlassen kann. Wenn man die gute Qualität nahtlos weiterführen kann, was aus meiner Sicht äusserst wichtig ist, dann hat das eine wesentliche Auswirkung auf die Fluktuation wie auch die Reputation. Fühlt man sich gut betreut, ist die Verwaltung des Vertrauens oftmals die erste Anlaufstelle bei der Suche nach einer anderen Wohnung. Dadurch kann der Bewirtschafter bereits frühzeitig einen allfälligen Leerstand umgehen und bestenfalls den Mieter einer anderen Wohnung zuführen. Das ist ein erfolgreicher Weg, das zeigt meine Erfahrung.

Böse Zungen sagen, wenn man so wenig Kontakt wie möglich hat mit der Verwaltung, dann ist alles gut. Bist du in dem Fall eher der Meinung, die Bewirtschaftung/Verwaltung soll den Kontakt mit den Mietern aktiv suchen?

Durchaus. Natürlich auf eine subtile Art und Weise. Es soll immer noch das Kundenbedürfnis im Fokus stehen. Und ja, proaktiv mit dem Kunden, also dem Mieter, in Kontakt zu treten, finde ich keine schlechte Variante, um die Kundenzufriedenheit zu messen. Das kostet zwar Zeit, kann aber auch wie vorher ausgeführt eine Ertragssicherung sein, da man frühzeitig merkt, ob ein Kunde sich unwohl fühlt. Mit den neuen digitalen Tools kann man effizienter und kundenorientierter vorgehen, um vorzeitig in den Prozess einzugreifen.

Vielen Dank, David, für das spannende Gespräch und weiterhin viel Erfolg in deiner Rolle als Leiter Vermarktung.