«Es wird sich Entscheidendes verändern»

Mathias Rinka, Journalist mit Schwerpunkt Immobilien und selbstständiger Kommunikationsberater.

Für flatfox wechselt er die Seite. Mathias Rinka ist Journalist mit Schwerpunkt Immobilien und als selbständiger Kommunikationsberater tätig, u.a. für die Branchen-Organisationen SwissPropTech und Swiss Circle. Er ist Experte für die Schweizer Immobilienbranche und deren aktuelle Herausforderungen und hat den Überblick über die Entwicklungen in der internationalen PropTech-Szene.

Mathias, Du warst gerade an der MIPIM in Cannes, mit über 24'000 TeilnehmerInnen eine der grössten Immobilienmessen der Welt. Was war dein Eindruck?

Alle sind froh, dass die niedrigen Zinsen anhalten und dass die Branche so weitermachen kann wie bisher. Auch weil man weiss, dass diese Zeit irgendwann vorbei sein wird. Der Umschwung ist einfach nur aufgeschoben.

Wie erlebst du das? Bereiten sich die Unternehmen vor auf diesen Umschwung?

Es gibt schon Anzeichen bei grösseren Unternehmungen, die entscheiden, keine Einkaufsstrategie mehr zu fahren, sondern eher eine Cashflow-Strategie. Sie sagen sich «Wir erhalten unsere Mieterträge» und möchten nicht mehr mitbieten in diesem ganzen Reigen von hohen Immobilienpreisen. Sie sagen sich: «Es gibt viel Konkurrenz im Markt bei den Transaktionen, ich muss nicht noch der 20. Bieter sein, wenn dann eh eine grosse Pensionskasse am Schluss noch mehr Geld auf den Tisch legen kann.» Sie verharren in einem Status des Abwartens.

Du warst mit SwissCircle und Swiss PropTech in Cannes. Wie wird der Schweizer Markt im internationalen Umfeld wahrgenommen?

Es gibt ein grosses Interesse. Für die etablierten Unternehmungen ist die Schweiz der sichere Hafen. Es ist ein Markt, der für die Qualität geschätzt wird, für das exakte Arbeiten. Die Schweiz ist auch immer noch ein guter Standort um Finanzgeschäfte zu machen. Der Bankensektor hat natürlich ein bisschen gelitten in den letzten Jahren, aber trotz allem gilt die Schweiz noch immer als quasi paradiesischer Ort. Alle andern sind ein bisschen neidisch auf die Schweiz.

Für die PropTech-Unternehmen ist es aktuell sehr spannend, da sich viel internationales Interesse auf sie fokussiert. Das zeigt sich bei SwissPropTech. Wenn Mario Facchinetti (Gründer Swiss PropTech) ein MeetUp veranstaltet an der Messe, dann kommen die Leute aus diversen Ländern und zeigen reges Interesse. Die Quote von PropTech-Unternehmen pro Einwohner in der Schweiz ist übrigens die höchste weltweit!

«Die Quote von PropTech-Unternehmen pro Einwohner in der Schweiz ist die höchste weltweit.»

Wie erklärst du dir das?

Ich denke, das hat mit dem starken Unternehmertum in der Schweiz, dem KMU-Denken, zu tun. Andererseits haben wir hier in der Schweiz ein sehr hohes Niveau bei den Hochschulen. Eine Vielzahl von PropTechs sind ETH-Spinoffs oder kommen von der EPFL in Lausanne. Das ist das Umfeld, wo die besten Ideen entstehen. Sie bilden die Basis für den guten Stand der Schweizer Branche.

Wie erlebst du die internationale PropTech-Szene? Kann man Bereiche abgrenzen, wo sich im Moment am meisten bewegt?

Ich erkenne hier drei Bereiche. Der erste betrifft die Digitalisierung bestehender Prozesse, das was Flatfox beispielsweise macht. Der zweite besteht aus dem Property- und Facility Management. Das lukrativste Geschäft in diesem Segment ist natürlich das Asset- oder Portfoliomanagement, da sind die grössten Volumina drin. Die Due Diligence zum Beispiel kann man nun viel schneller und effektiver gestalten. Prozesse, die früher beim Immobilienkauf ein Jahr gedauert haben, lassen sich auf wenige Wochen zusammenschrumpfen. Mit neuen Modellen kann man Daten und Entwicklungen viel besser vergleichen und prognostizieren. Transaktionen können schneller umgesetzt werden. Das ist ein grosser Vorteil.

Der dritte Bereich ist der aktuelle Hype um das Buzzword Blockchain. Da wäre ich aber vorsichtig. Alles was in dem Bereich passiert, steht unter dem Damoklesschwert, dass jederzeit eine Reglementierung ansteht. Sprich, wenn jetzt Staat X oder Y entscheidet, eine eigene Crypto-Currency per Blockchain zu etablieren oder einer entscheidet, wir machen jetzt alle Grundbücher mittels Blockchain, dann könnte das ein Trigger sein. Es wäre dann ein staatlicher Akteur involviert, der eine neue Basis definiert, die viele Reglementierungen mit sich bringt. Aber solange das nicht passiert, ist Blockchain ein Experimentierfeld. Sobald die Politik den Riegel schiebt, wird sich manches Geschäft plötzlich wieder in Luft auflösen. Es sind viele dabei, die das mit Ernst betreiben, aber es gibt auch viele Glücksritter, die das schnelle Geld suchen.

«Beim Thema Blockchain wäre ich vorsichtig.»

Welches ist für dich das erfolgversprechendste PropTech der Schweiz?

Ha, gute Frage! Was mich erstaunt und erfreut, sind die Erfolgsstories von Allthings und PriceHubble. Beide sind in der Schweiz entstanden und in relativ kurzer Zeit schnell international erfolgreich geworden. Allthings expandiert nach Deutschland und Frankreich nun auch nach Grossbritannien und in die Niederlande. Eine ähnliche Entwicklung sehe ich auch bei PriceHubble. Sie arbeiten mit Partnern an den jeweiligen Orten und können so wachsen. Das sind zwei Unternehmen, die schnell – aber nicht ungesund schnell – gross geworden sind. Es ist jetzt spannend zu beobachten, ob der Erfolg auch in den weiteren Ländern kommt, ob sie sich da werden durchsetzen können.

Eine schnell gewachsene Firma ist natürlich auch mit einem gewissen Risiko verbunden.

Definitiv. WeWork, die jetzt ja unter der neuen Dachmarke WeCompany laufen, oder Uber sind Beispiele dafür. Es stellen sich Fragen wie: Wie viel Geld steht überhaupt zur Verfügung? Wie viel Geld wird verbrannt? Ist der nötige Umsatz da, dass man sich in absehbarer Zeit in die schwarzen Zahlen bewegt, hin zum Break Even? WeWork ist bereits sehr lange am Markt und kann noch immer keine Gewinne vorweisen. Die Hoffnung ist da, dass man so lange am Markt bleibt, bis man keine Konkurrenz mehr hat. Dann hat man das Ziel erreicht.

Wie wohnen wir deiner Meinung nach in der Schweiz im Jahr 2050? Wo siehst du die grösste Veränderung zu heute?

Das sind ja jetzt noch 31 Jahre, sprich eine ganze Generation. Politiker würden jetzt nicht so weit denken wollen. Da wird sich Entscheidendes verändern. Mit Glück gilt dann die Immobilienbranche als digitalisiert. Also natürlich nicht jedes Gebäude und nicht bis ins hinterste Dorf, aber ich glaube, die Deals und Transaktionen werden komplett digitalisiert sein. Im Bereich Wohneigentum wird es viel mehr Flexibilität geben. Durch digitalisierte Grundbücher und Blockchain-Technologie wird sich Wohneigentum besser aufteilen lassen und auch Leute, die sich das heute noch nicht leisten können, werden sich an Immobilien beteiligen können.

«Durch digitalisierte Grundbücher wird sich Wohneigentum besser aufteilen lassen.

Nun noch zu dir. Wie kamst du überhaupt in die Immobilienbranche?

Es ist mein Thema als Journalist seit 22 Jahren. Seit 1997. Das war damals per Zufall. Ich wechselte nach Freiburg im Breisgau mit dem Studium und fand eine Teilzeitstelle neben dem Studium. Das war damals Thomas & Partner, die heute als Thomas Daily bekannt sind. Dann hab ich da begonnen Nachrichten zu schreiben, bzw. Texte zusammengefasst, damit die Immobilienbranche Informationen daraus ziehen konnte. 

Nun bin ich seit fast fünf Jahren in der Schweiz und schreibe für das Schweizer B2B-Magazin Immobilien Business. Vor zwei Jahren kam dann der Kontakt mit Roman Bolliger vom Swiss Circle und Mario Facchinetti vom SwissPropTech dazu, bei beiden Organisationen bin ich nun für die Medienkommunikation zuständig.

Ein spannender Bereich, wo sich vieles entwickelt!

Ja, bei bei Swiss Circle sind es mittlerweile über 200 und bei SwissPropTech über 80 Mitglieder! Innerhalb von zwei Jahren ist SwissPropTech zu einer grossen Organisation herangewachsen, bestehend aus PropTech-Firmen und grösseren Immobilienunternehmungen. Nun findet bald der 3. SwissPropTech-Day statt, im Zürcher Hallenstadion! Mit Referenten aus dem Sport-Bereich versuchen wir, den menschlichen Faktor und den Team-Gedanken innerhalb der Digitalisierung zu stärken, der noch immer sehr sehr wichtig ist.

Vielen Dank, Mathias, für das spannende Gespräch und weiterhin viel Erfolg.