«Unser Ziel ist es, das Leben der Menschen zu verbessern»

Daniel Baur, Mitgründer von eMonitor

Daniel Baur von eMonitor spricht mit uns über seine Motivation, in der Immobilienbranche etwas zu bewirken und wie er die Zukunft des Wohnens in den Städten mitgestalten möchte. eMonitor hat sich auf die digitale Vermietung für städtische Liegenschaften und Genossenschaften spezialisiert.

Was hat euch dazu bewogen, eMonitor zu gründen?

Es war Zufall. Während des Studiums war ich im Ski- und Snowboardsport aktiv. Ich wollte etwas zur aufkommenden Freestyleszene beitragen und habe mit einem Freund einen Blog und Community für Freeskier gegründet. Danach wurden wir angefragt, ob wir nicht Webseiten auf Auftragsbasis machen könnten. Zuerst war es eine Webseite, dann zwei, dann viele und auf einmal hatten wir eine Web- und Marketingagentur gegründet. Irgendwann kam meine jetzige Kollegin Corinna auf uns zu, die für die Vermietung eines Genossenschafts-Neubauprojekts in Zürich eine digitale Lösung suchte. Wir waren die einzigen im Bekanntenkreis, die programmierten und so nahmen wir die Herausforderung an. Bald merkten wir, dass im Immobilienmarkt viel Potential steckt.

Flatfox und eMonitor bieten ja ziemlich ähnliche Produkte an, beide digitalisieren den Vermietungsprozess. Wo unterscheiden wir uns aus deiner Sicht?

Es ist ein anderer Markt, ein anderer Prozess, ein anderer Fokus, den wir haben. Wir sind anders gewachsen als ihr. Wir kommen von der Datenanalyse. Uns interessiert die konkrete Nachfrage nach Wohnungen und wie man das Leben in Städten mittels Datenanalyse verbessern kann. Ihr hingegen konzentriert euch auf den Prozess und die vereinfachte Kommunikation mittels Chat. Das sind zwei ganz unterschiedliche Produkte, die für ihre jeweiligen Anwendungsfälle sehr innovativ sind. Sie können miteinander konkurrieren, müssen aber nicht. Und im Prinzip können sie sehr gut koexistieren oder sich sogar ergänzen. Unser Fokus ist es langfristig auch nicht, in eure Märkte einzusteigen, sondern eher in die Märkte, wo Disruption noch möglich ist. Da gibt es schon noch ein paar sehr spannende Segmente im Immobilienmarkt, insbesondere im Bereich der Datenanalyse.

«Wir sind überzeugt, dass man die Städteplanung mit der Datenanalyse verbessern kann.»

Verrätst du uns da Konkreteres?

Unser Fokus ist ja schon immer, die Person mit der Wohnung zusammenzubringen, die die Wohnung am meisten verdient. Wir sind überzeugt, dass man die Städteplanung mit der Datenanalyse verbessern kann und so sogar die Mietpreise reduziert, indem man die Belegungsvorschriften einhält. Es ist wichtig, dass man Grundrisse baut, die nachgefragt werden. Baut man das Falsche, verknappt man den Wohnraum und produziert so Leerstand. Mittels Datenanalyse erfasst man die Bedürfnisse sehr genau und kann dafür sorgen, dass auch die Personen Wohnraum finden, die ihn wirklich brauchen. Das ist unser Fokus. Dies widerspiegelt sich in all unseren Produkten und in allen Produkten, die wir zukünftig entwickeln werden.

Es ist ja eine Grundsatz-Diskussion: wer soll in den Städten wohnen und aufgrund welcher Daten erhält jemand den Zuschlag für eine Wohnung. Habt ihr da keine ethischen Bedenken?

Ethisch haben wir gar keine Bedenken. Wir glauben, dass man mit einem System, das man richtig konfiguriert, eine Wohnung viel fairer vermieten kann. Man hat z.Bsp. keine Bias anhand von Nachnamen oder Hautfarbe. Eine Maschine wählt nicht subjektiv aus, sondern wirklich objektiv. Beim Menschen geht dieses Wissen verloren, die Software jedoch kann laufend optimiert werden. Die Optimierung läuft über ein technisches System viel effizienter als beim Menschen, das ist ein grosser Vorteil. Unser Ziel ist es, das Leben der Menschen anhand einer guten technischen Lösung zu verbessern.

Euer Wachstum führt euch auch in internationale Gefilde. Wo seid ihr aktuell tätig?

Im Moment nur in der Stadt München. Wir haben eine Lösung, die von jeder Stadt und jeder Genossenschaft angewendet werden kann. Jetzt heisst es, die Werbetrommel etwas lauter zu rühren. Von alleine kommt niemand.

«Es ist schon eine rechte Leistung, dass wir es geschafft haben, das vier Jahre so durchzuziehen.»

Wie geht ihr da vor?

Kaltaquise. Messeauftritte haben wir bis jetzt nicht gemacht, wir hatten nie die finanziellen Mittel dazu. Bis jetzt lief der Verkauf nur über Mund-zu-Mund. Das zeigt, dass wir ein Produkt haben, das für viele Anwendungsfälle gut ist und das die Leute brauchen können. Jetzt müssen wir die Bekanntheit steigern.

Wie seid ihr denn finanziert?

Wir sind eine GmbH und selbstfinanziert. Zurzeit.

Ihr habt einen steilen Aufstieg hinter euch. Auf was bist du am meisten stolz beim bisher Erreichten?

Ich bin stolz darauf, dass wir es geschafft haben, vier Jahre lang ein Startup mit sehr wenig finanziellen Möglichkeiten und sehr reduzierten personellen Ressourcen zu führen. Wir haben ein sehr spezifisches Business-Modell in einem Umfeld, wo die Digitalisierung eher ausgebremst als mit offenen Armen empfangen wird. Zumindest als wir begonnen haben, war das so, jetzt ist es schon viel besser geworden. Es ist schon eine rechte Leistung, dass wir es geschafft haben, das vier Jahre so durchzuziehen, ein Wachstum zu generieren und so tausenden von Leuten bereits zu einer Wohnung verhelfen konnten.

«Wir stehen am Anfang der Welle, die sich aufbaut, jetzt muss man sie nur noch surfen.»

Wie erlebst du die Schweizer Immobilienbranche im Moment?

Jeder will Digitalisierung machen, aber niemand macht es (lacht). Jeder spricht darüber und jeder schaut sich die Lösungen an. Umgesetzt werden sie schliesslich aber nur von den ganz innovativen oder den ganz grossen, die wissen, dass jetzt etwas passieren muss. Die, die früh implementieren, werden auch die sein, die langfristig im Markt bestehen können. Man hat Vorteile, wenn man schon Erfahrungen sammeln konnte, weiss, welche Produkte es gibt auf dem Markt und welche Prozesse digitalisiert werden können. Wir spüren jetzt, dass eine Kettenreaktion startet, wenn einer beginnt, die anderen beginnen mitzuziehen. Das war vor vier Jahren natürlich noch nicht der Fall. Niemand hat Software, geschweige denn unsere, genutzt, da bestand der Status Quo noch aus PDF und Excel. Da mussten wir schon hart kämpfen, bis die ersten angefangen haben.

Hast du das Gefühl, es ist insbesondere in der Schweiz so, dass sich die Immobilienbranche nur langsam bewegt?

Nein, das ist europaweit ein Problem. Die Immobilienbranche konnte sich lange ausruhen, musste nicht Digitalisieren. Die Unternehmen haben gute Umsätze gemacht, durch die hohen Renditen mussten sie nicht innovativ sein. Im Konsummarkt ist das ganz anders. Da konkurriert man mit fünf Firmen, die genau das gleiche Produkt anbieten. Man ist gezwungen, mit dem besten Branding und den besten Marketinginstrumenten Kunden zu gewinnen. So kann man sich einen Marktvorteil verschaffen. Diejenigen, die im Konsummarkt früh mit der Digitalisierung angefangen haben, wie Amazon, sind jetzt die, die den Markt beherrschen. Das wird in der Immobilienbranche ähnlich sein. Die Leute wissen das, sind aber noch immer zu bequem. Es geht ihnen noch immer zu gut.

Was fasziniert dich denn persönlich an der Immobilienbranche? Du kamst ja per Zufall in die Branche.

Es ist ein absolut unterentwickelter Bereich in Sachen Digitalisierung, da hat man als innovatives Unternehmen, das ein paar neue Ideen hat, riesiges Potential. Das ist für mich sehr interessant.

Immobilien haben ja die Unbeweglichkeit bereits im Namen.

Ja, man erhält fast den Eindruck, dass die Menschen in der Branche an ihren Immobilien festgekettet sind. Dafür ist das Potential gross. Man könnte noch zehn weitere Produkte entwickeln, die noch niemand umgesetzt hat, die in anderen Märkten schon lange Usus sind. Die Branche ist mir eigentlich gar nicht so wichtig, das Innovationspotential ist das, was für mich zählt.

Wie erlebst du das Proptech-Umfeld in der Schweiz?

In der Immobilienbranche stehen wir immer noch am Anfang der Digitalisierung, es werden aber laufend neue Ideen entwickelt, neue Produkte kommen auf den Markt, neue Ideen entstehen mit neuen technischen Möglichkeiten wie AI oder VR. Wir stehen am Anfang der Welle, die sich aufbaut, jetzt muss man sie nur noch surfen. Aber man muss einen langen Atem haben in der Immobilienbranche. Es ist kein sanfter und stetiger Surfbreak wie in Kalifornien, sondern eher einer wie in Hawaii, wo die Welle ewig braucht um sich aufzubauen, aber wenn sie kommt, ist sie ein echter «Brecher». Es wird nur ein paar wenige geben, die sie überhaupt reiten können. Wir haben bereits ein paar Startups gesehen, die die Segel wieder gestrichen haben. Es ist ein Kampf. Man muss wirklich ein Problem lösen können. Ich glaube, bei uns ist das der Fall, darum gibt es uns auch nach so langer Zeit noch.

«Die Stadt Zürich mit ihrer sozial ausgerichteten Wohnbaupolitik und den vielen Genossenschaften ist ein sehr spannender Markt.»

Inwiefern hat dir deine berufliche Erfahrung mit der Marketingagentur genützt im Aufbau eures Startups?

Ich bin bei eMonitor für Verkauf und Marketing zuständig. In der Marketingagentur waren wir spezialisiert auf Trendsport-Marketing mit Kunden wie Red Bull und Swisscom. Da mussten wir jeden Tag eine neue Innovation oder ein neues Produkt bringen, das es so auf dem Markt noch nicht gab. Wir mussten permanent spannende Ideen haben, weil es noch 10 andere Marketingagenturen gab, die auch coole Ideen hatten. Und dann kommt man in die Immobilienbranche und es gibt gar keine Marketingagenturen, die innovative Ideen haben, die machen alle in etwa dasselbe. Jede Software versucht Probleme gleich zu lösen, die CRMs bieten alle fast analoge Funktionen, da hat man mit einigen guten Ideen freie Bahn (lacht).

Der digitale Anmeldeprozess ist ja nicht eine total innovative Idee, aber vor vier Jahren, als wir angefangen haben, hat das noch niemand so gemacht, alles funktionierte noch immer händisch. Es ist unsere Stärke immer weiter innovative Produkte zu entwickeln und etwas Neues zu probieren. Und wir sind agil und können uns schnell bewegen. Eine grosse IT-Unternehmung hat uns einmal gesagt, sie brauchen für die Umsetzung einer Warteliste für eine grosse Wohnbaugenossenschaft zwei Jahre, wir brauchten dafür 3 Monate. Das sind natürlich Welten. Das ist grundsätzlich der Vorteil von Startups. Sie bringen Innovation in einen Markt, wo Innovation noch nicht stattfindet. Es ist dafür auch hilfreich, marktfremd zu sein und Probleme aus einer anderen Sichtweise zu betrachten. Sonst machst du immer das Gleiche und du machst es so, wie es schon immer gemacht wurde. Es ist mir ein Rätsel, wieso niemand vor uns auf die Idee kam, ein digitales Referenzformular zu entwickeln. Die meisten Verwalter machen den Referenzcheck nach wie vor telefonisch. Der ganze Prozess wird nicht hinterfragt. Sogar die neue Generation der Branche wird geimpft mit den alten Abläufen.

Zum Schluss: Wo siehst du eMonitor in drei Jahren?

Es wäre schön, wenn ein paar Städte in Europa und weitere Genossenschaften unsere Software nutzen. Wenn wir für die Menschen, die in Städten leben, etwas zum Besseren bewirken können und nicht einfach nur ein Prozess digitalisiert wird. Es geht um Menschen und jeder im ganzen Zyklus soll vom digitalen Prozess und den technologischen Weiterentwicklungen profitieren können.

Die Stadt Zürich mit ihrer sozial ausgerichteten Wohnbaupolitik und den vielen Genossenschaften ist ein sehr spannender Markt und eine gute Basis um mehr über die faire Wohnungsvergabe zu lernen, damit wir dieses Wissen für andere Kunden anwenden können. Momentan läuft die Vermietung von total 25'000 Wohnungen in der Stadt Zürich über uns, das ist ein guter Bestand, da haben wir etwas vorzuweisen. Ich bin überzeugt: Es kommt gut!

Vielen Dank, Daniel, für das spannende Gespräch und weiterhin viel Erfolg.