«Gute Mieter sind Stammkunden.»

Jörg Buckmann, Personalberater aus Leidenschaft

HR-Profi Jörg Buckmann spricht mit uns über die Veränderungen, die in der Arbeitswelt im Umfeld der Digitalisierung auf uns zukommen, den anstehenden Fachkräftemangel und wie Unternehmen in der Immobilienbranche weiter gute Mitarbeitende rekrutieren können. Und er gibt Tipps, wie die Beziehung zwischen Mieter und Vermieter weiter verbessert werden kann.

Wie arbeiten wir im Jahr 2030?

Der Trend zum dezentralen Arbeiten wird sich akzentuieren. Also dass Wissensarbeiter, die nicht zwingend an einem bestimmten Ort arbeiten müssen, Zuhause, unterwegs oder in sogenannten Workspaces arbeiten. Vielleicht gibt es aber auch einen Gegentrend. Je mehr Leute es gibt, die mobil oder Teilzeit arbeiten, desto schwieriger wird es, einen Sitzungstermin zu finden. Treffen kann man sich heutzutage auch digital. Im Geschäftsbereich macht es aber Sinn, dass man ein gewisses Mass an persönlichem Austausch hat. Das dezentrale Arbeiten wird noch zunehmen, aber es gibt eine Grenze, die irgendwann erreicht ist. Es mag sein, dass das eine altmodische Haltung ist, aber für gewisse Themen ist es einfach gut, wenn man zusammen am Tisch sitzt, wenn man die Schwingungen spürt.

Was hat denn aus deiner Sicht die Digitalisierung als grösste Veränderung schon gebracht für die Arbeitswelt?

Es gibt sehr viele Berufe, bei denen werden digitale Helfer gewisse Sachen vereinfachen können, aber die Berufe wird es trotzdem immer brauchen. Zum Beispiel Polizistinnen, Steuerbeamte, Velomechaniker oder Bäcker. Das sind Berufe, die werden vielleicht anders arbeiten, aber es wird sie weiterhin brauchen. Spannend wird sein, wie sich die Digitalisierung weiter auf die Leute auswirkt, die im Büro arbeiten. Doodle für Sitzungsorganisation, Skype – auch für Jobinterviews, Cloud-Lösungen für die Dokumentenablage – damit kann man die Zusammenarbeit ortsunabhängig mittlerweile sehr gut organisieren, was ja eine gute Entwicklung ist.

Ansonsten bin ich gar nicht so sicher, ob die Veränderungen so gross sein werden, wie alle sagen. Ich mache ein Beispiel: in der HR-Welt reden alle von Chatbots. Man träumt davon, dass man einfachere oder vielleicht auch schwierigere Anfragen über Chatbots beantworten kann.

Das ist auch in der Immobilienbranche ein Thema. Könnte man den Kontakt mit den Mietern oder Mietinteressenten z.Bsp. über Chatbots lösen, fragen sich einige.

Bei diesem Thema gibt es für mich zwei Aspekte. Stand heute kenne ich keinen einzigen Chatbot, den ich wirklich gut finde. Sie sind sogar relativ lächerlich. Ich bin überzeugt, die Chatbots werden sich noch verbessern, aber das wird nicht so schnell gehen. Und die zweite Frage, die recht wenig gestellt wird: werden solche neuen Anwendungen von den Kunden akzeptiert? Mein typischer Kontakt als Privatperson ist der zu Telekom-Firmen, wenn ich ein Problem mit meinem Handy-Abo habe. Die Website ist voll mit Kontaktmöglichkeiten, mit dem Ziel, dass du nicht anrufst. Das regt mich als Kunde extrem auf. Würde eine der drei Telekomfirmen eine Telefonnummer kommunizieren, wo ich anrufen könnte und die Garantie hätte, dass ich innerhalb einer Minute mit jemand Kompetentem sprechen könnte, ich würde sofort kündigen und zu diesem Anbieter wechseln. Von dem her glaube ich – und das ist ein spannendes Thema – viele Firmen vergessen den Kunden. Man diskutiert an allen Veranstaltungen und in den Medien Möglichkeiten zum Rationalisieren und Effizienterwerden, ob das aber der Kunde auch will, daran zweifle ich stark. Als Kunde geht man ja den Weg, der am bequemsten ist. Im Moment ist das für mich noch immer der direkte Kontakt mit einer kompetenten Person. Digitale Anwendungen werden sich noch verbessern, aber den direkten Kontakt ersetzen werden sie nie.

> «Als Kunde geht man ja den Weg, der am bequemsten ist. Im Moment ist das für mich noch immer der direkte Kontakt mit einer kompetenten Person.»

Zurück zum Arbeitsmarkt. Ein weiteres Thema, von dem viele Leute reden, ist der Fachkräftemangel, auch in der Immobilienbranche. Man weiss aber nicht so recht, ob er nun kommt. Wie siehst du das? Wird der Fachkräftemangel etwas sein, das uns beschäftigen wird in Zukunft?

Der Gap, der die nächsten zehn Jahre aufgeht zwischen Leuten, die in den Arbeitsprozess kommen und Leuten, die in Pension gehen, rein von der demographischen Struktur der Schweiz, ist gigantisch. Die Zuwanderung hat auch abgenommen. Von dem her wird sich der Fachkräftemangel, den wir zum Teil heute schon haben, weiter akzentuieren. Ich glaube, es wird Verlagerungen geben. Gewisse Berufe werden verschwinden, die haben dann auch keinen Fachkräftemangel. Bei anderen – wie dem Detailhandel – verändern sich die Berufe Richtung Onlinehandel. Diese Verlagerung ist auch überhaupt nichts Neues, das hat es immer schon gegeben. Es gab immer schon Berufe, die verschwunden sind und andere die gekommen sind. In gewissen Branchen ist der Fachkräftemangel bereits da. Wenn man die Pflegeberufe anschaut ist dieser extrem und das wird auch noch brutal zunehmen mit der Pensionierung bestehender Fachpersonen.

Was rätst du den Firmen, die merken, dass sich ein Fachkräftemangel abzeichnet? Was sind aus deiner Sicht die grössten Hebel, um diesem Fachkräftemangel zu begegnen?

Man muss sich als Arbeitgeber in Position bringen. So wie man seine Produkte vermarktet, muss man sich auch als Arbeitgeber vermarkten. Aufzeigen, wer man ist, was man zu bieten hat, für was man steht. Dieses Thema hat unglaublich viel Nachholbedarf, insbesondere auch in der Immobilienbranche. Die Diskrepanz zwischen dem Vermarkten der Objekte und der eigenen Jobs ist extrem gross. 

Und bei den Arbeitsbedingungen muss man sich einstellen auf die neue Zeit. Es gibt sehr viele interessante Aspekte, die es neu zu beachten gilt. Was noch im grossen Stil vorherrscht, ist, dass man die Wunschperson ausschreibt, die alles bereits kann. Ich glaube, man muss sich viel mehr für Quereinsteiger und Wiedereinsteigerinnen öffnen. Wenn man alle Stellen mit einem Wahnsinnsprofil ausschreibt, mit Pensen von 80-100%, dann schliesst man alle gut qualifizierten Frauen, die wiedereinsteigen möchten, von vornherein aus. Auch alle Quereinsteiger, die aus anderen Berufen kommen, schliesst man mit zu hohen Anforderungen aus. Es braucht ein Umdenken. Dann braucht es auch ein Angleichen an gesellschaftliche Entwicklungen. Für die Jungen ist es heutzutage so: Arbeiten ist wichtig, aber alles Andere ist viel wichtiger als auch schon. Zum Beispiel das Thema Auszeit, oder auch Sabbatical genannt. Junge heutzutage möchten zwei Jahre nach der Lehre schon eine Auszeit nehmen, auf Reisen gehen. Ein solches Anliegen trifft auf einen Vorgesetzten, der mindestens eine Generation älter ist und die Welt nicht mehr versteht. Es braucht von den Firmen einen geschmeidigeren Umgang mit den veränderten demographischen Rahmenbedingungen.

> «Die Diskrepanz zwischen dem Vermarkten der Objekte und der eigenen Jobs ist extrem gross.»

Firmen in der Immobilienbranche stehen unter hohem Druck, effizient zu arbeiten. Wie geht das zusammen mit vielen Leuten in Teilzeit-Anstellungen oder abwesend in einem Sabbatical?

Das ist natürlich vom organisatorischen Aufwand her unpraktisch. Schlicht und einfach. Das geht allen Arbeitgebern so. Das Problem ist, man hat gar keine Wahl.

Arbeitet man denn effizienter, wenn man zufriedenstellende Arbeitsbedingungen und genug Freizeit hat?

Da bin ich überzeugt und es gibt sicher auch Studien, die das belegen. Alle Leser dieses Blogs, die schon einmal eine Weiterbildung berufsbegleitend gemacht haben, wissen es: es ging auch. Wenn es sein muss, da bin ich überzeugt, dann kann man die gleiche Arbeit mit 20% tieferem Pensum erledigen. Umgekehrt, wenn man 20% mehr Zeit erhält, dann dauert die Arbeit auch 20% länger. Ab wann genau die Produktivität ab- oder zunimmt kann man sicher nicht genau sagen. Aus meiner Sicht hat aber die Entwicklung Richtung Homeoffice und mobilem Arbeiten schon auch Effizienznachteile. Auch Teilzeit ist organisatorisch unangenehm. Es hat positive Aspekte, da man frischer ist, und motivierter, das individuellere dispersere Arbeiten macht es aber aufwändiger.

Immobilienverwaltungen befinden sich im Sandwich. Sie haben auf der einen Seite die Eigentümer, die erwarten, dass möglichst effizient gearbeitet wird, und auf der anderen Seite die Mieter, die Ansprüche stellen. Das ist häufig ein angespanntes Verhältnis, insbesondere zwischen Mietern und Vermietern. Hast du Tipps, wie diese Beziehung weiter deblockiert und verbessert werden kann?

Das ist wirklich speziell, das ist eine sehr ausgeprägte Sandwich-Situation und eine anspruchsvolle Aufgabe. Mein Eindruck ist, dass die Beziehungspflege zwischen dem Mieter und dem Verwalter noch ist wie vor 100 Jahren. Es gibt überspitzt gesagt mickrige Aushänge, in einem unglücklichen sanft militärischen Tonfall, und dann gibt es noch einen Namen mit Telefonnummer am Anschlagbrett. Aber gibt es Mietersprechstunden? Gibt es eine App? Einmal im Monat einen Treffpunkt, wo ich mit meinen Sorgen hinkann? Diese Beziehung wird gar nicht gepflegt. Sie ist nur darauf ausgelegt, dass man kommuniziert, wenn es ein Problem gibt. Das ist gar keine Beziehungspflege. Wenn ich als Mieter und Kunde weiss, wohin ich mich wenden kann, sehr einfach, vielleicht auch einmal in einem positiven Kontext, dann läuft das anders. Ein Beispiel: Viele Mieter sind schon seit Jahr und Tag in ihrer Wohnung. Die grosse Mehrheit macht nie Probleme und zahlt brav. Gute Mieter sind eigentlich Stammkunden. Wieso pflegt man diese Stammkunden nicht? Sagen wir mal, man zahlt CHF 2 000 Miete pro Monat. Das sind also CHF 24 000 pro Jahr, jedes Jahr. Und niemand kommt und sagt Danke.

> «Sagen wir mal, man zahlt CHF 2 000 Miete pro Monat. Das sind also CHF 24 000 pro Jahr, jedes Jahr. Und niemand kommt und sagt Danke.»

Dieser hohe Druck von zwei Seiten macht den Beruf des Verwalters oder der Bewirtschafterin insbesondere für die junge Generation nicht sehr attraktiv, der Nachwuchs fehlt zunehmend. Was rätst du den Verwaltungen, damit sie die junge Generation für ihren Beruf begeistern können?

Das erinnert mich auch an andere Berufe, die nicht wahnsinnig beliebt sind, zum Beispiel Versicherungsberater. Man weiss ja gar nicht viel über den Beruf. Nur schon der Name «Verwalter» ist nicht sehr attraktiv, man hat nur mit ihnen zu tun, wenn es Probleme gibt. Doch ich denke, auch dieser Beruf hat ganz viele positive Aspekte, schöne und spannende Seiten.

Wohnen an sich ist ja ein sehr emotionales Thema.

Ja, genau. Ich habe kein Bild einer Karrierewebsite, eines Stelleninserats, geschweige denn einer Kampagne im Kopf, wo man Verwalter und Mieter sieht, wo junge Verwalter sagen, was sie an ihrem Job schätzen. Die Verwalterin treffe ich nur an der Wohnungsabgabe, das ist der einzige Kontaktpunkt. Man muss anfangen, die schönen Seiten herauszustreichen und bekannt zu machen mit gezieltem Personalmarketing. Wenn wir an diesem Tisch 10 VerwalterInnen hätten und sie beten würden, die positiven Aspekte ihres Berufs aufzuschreiben, dann wäre die Wand danach voll. Spannend sind die überraschenden Aspekte eines Berufs, die Aussenstehende nicht kennen. 

Letzthin bin ich an einem Haus mit einem QR-Code vorbeigegangen, wo man sich virtuell die zu vermietende Wohnung anschauen konnte. Es ist eine Branche, die in der Vermarktung der Objekte top ist und die neuesten Technologien nutzt, aber die es trotzdem nicht schafft, den «Verwaltergroove» wegzubringen. Eigentlich wissen sie, wie es geht, es sollte also auch möglich sein, die Berufe der Branche besser zu vermarkten und so den Nachwuchs wieder dafür zu begeistern.

Vielen Dank für das spannende Gespräch!

*Jörg Buckmann

Nach über 20 Jahren in verschiedenen HR-Funktionen hängte Jörg Buckmann 2015 seinen Job als Personalchef der Verkehrsbetriebe Zürich an den berühmten Nagel. Seither widmet er sich dem Thema, für welches er über die Jahre viel Leidenschaft entwickelt hat: Er unterstützt Firmen und Behörden, die sich auf dem Arbeitsmarkt mehr Gehör verschaffen wollen. Buckmann ist fasziniert von einfach guten Lösungen und mag Unternehmungen, die die Gabe und den Willen haben, neue Wege zu gehen und etwas auszuprobieren. Ausserdem ist er in seinem Themengebiet ein gefragter Speaker, führt Workshops durch und schreibt Bücher. www.buckmanngewinnt.ch